Walter Swennen, Blue Fills Gap, 2015 und DOORN, 2017
Walter Swennen (*1946 in Brüssel) ist ein eigentlicher «artist’s artist» – ein Maler, der abseits der gängigen Trends für unzählige jüngere Kunstschaffende zur Inspiration wurde. Einem breiteren Publikum ist sein malerisches Schaffen indes noch wenig bekannt, obschon er von internationalen Galerien vertreten wird und sein Werk in Belgien durch zahlreicherAusstellungen in bedeutenden Museen gefeiert wurde, z.B. im Palais des Beaux Arts in Brüssel (1986), im M HKA, Antwerpen (1994), und zusammenfassend im WIELS Centre d’Art Contemporain, Brüssel, im Jahre 2013. Die gemeinsam vom Kunstmuseum Bonn, dem Kunstmuseum Den Haag und dem Kunst Museum Winterthur in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler entwickelte Ausstellung Das Phantom der Malerei weitet diesen Blick ins Internationale. Sie ermöglicht mit rund 60 Arbeiten von den frühen 1980er Jahren bis zur Gegenwart einen Überblick auf das mehr als vier Jahrzehnte umfassende Gesamtwerk.
Im Ausstellungstitel Das Phantom der Malerei klingt Swennens Überzeugung an, wonach das, was ein Gemälde als Motiv wiedergibt, nie identisch mit dem Bild selbst ist und Motiv und Malerei dennoch untrennbar miteinander verwoben sind. Mit seinem bildskeptischen Ansatz führt Swennen die inhaltlichen Untersuchungen des belgischen Surrealisten René Magritte gleichermassen fort wie die reflexiven Strategien des Konzeptkünstlers Marcel Broodthaers. Auf der Suche nach einer Malerei, die jede Form von Eindeutigkeit unterläuft, schöpft Swennen aus einem breiten Motivfundus, der belgische Comic-Traditionen ebenso umfasst wie philosophische und belletristische Literatur, Enzyklopädien und Werbelogos. Dabei bezieht er sich in seinem Schaffen gleichermassen auf die konstruktive Kunst, den Surrealismus und die Pop-Art wie auf die Wiederentdeckung der Malerei in den 1980er Jahren, die er mit seiner subtilen Form des «bad painting» und seinem Bild- und Sprachwitz massgeblich beförderte.
Das Schaffen von Walter Swennen ist bislang in keiner Schweizer Museumssammlung vertreten. Dem Kunst Museum Winterthur bietet sich daher im Zusammenhang mit der aktuellen Ausstellung die einzigartige Gelegenheit, eine erstrangige Werkgruppe des Künstlers zu erwerben. Diese knüpft an bereits bestehende Werkgruppen der Sammlung wie Piet Mondrian und Philip Guston an und erweitert diese um einen zeitgenössischen Akzent.
Die meisten Werke in der Ausstellung befinden sich bereits in Privatbesitz. Aus Dank für die Ausstellung und im Wissen um die Bedeutung der Winterthurer Sammlung bieten der Künstler und seine Familie ausgewählte Werke aus ihrer privaten Kollektion zu entgegenkommenden Konditionen an. Geplant ist der Erwerb einer repräsentativen Auswahl von Gemälden sowie einer kleinen Werkgruppe von Zeichnung in Ergänzung, wobei die Ankäufe durch den Galerieverein. Freunde Kunst Museum Winterthur und mit Eigenmitteln des Kunstvereins (Lotteriefonds) getätigt werden sollen.
Blue Fills Gap, 2015
Acryl, Öl und Tinte auf Leinwand, 170,4 x 150 cm
Das Blau füllt die Lücke, lautet der ins Deutsche übersetzte Titel des Gemäldes, das buchstäblich eine ganze Wand im Kunst Museum Winterthur besetzt und damit seine visuelle Präsenz demonstriert. Über einen beinahe aquarellartigen dunklen Grund legte der Künstler mit kräftig-pastosem Auftrag eine blaue Fläche, die wiederum von einem Raster in Rot strukturiert wird. Dieses ist diagonal ausgerichtet, was dem Gemälde eine innere Dynamik verleiht, welche das Blockhafte der blauen Fläche aufhebt. Mit den Primärfarben Rot und Blau verweist Walter Swennen einmal mehr auf die von ihm wiederholt herbeizitierten konstruktiven Traditionen, die er in Blue Fills Gap jedoch dezidiert bricht, zum einen dank der diagonalen Struktur im Bild, zum andern durch die freie Form des mit Tinte aufgetragenen Bildgrundes, der an die alchemistischen Experimente eines Sigmar Polke erinnert. Einmal mehr verbindet Walter Swennen scheinbar unvereinbare künstlerische Traditionen in einem als hybrid zu bezeichnenden Gemälde und verleiht ihnen eine unverwechselbare eigene Form.
Herkunft: Familie Walter Swennen
DOORN, 2017
Öl auf Leinwand, 50 x 39,7 cm
Doorn, zu Deutsch Dorne, lautet der Titel eines der zahlreichen Gemälde, in denen Walter Swennen Buchstaben, Wörtern oder Texten verwendet. Das Phänomen der Lingualisierung in seiner Malerei hat einen Grund in seiner früheren künstlerischen Tätigkeit als Literat, der sich erst in den 1980er Jahren der Malerei zuwandte. Allerdings unterläuft der Maler permanent die Sprache, indem er mit eingefügten Wörtern Lektüreansätze anbietet, die er in der Malerei gleichsam konterkariert. So auch in Doorn: Das Wort erscheint nicht als lineare Struktur, die einzelnen Buchstaben als blaue und schwarze Linien werden vielmehr übereinandergelegt, die Lektüre folgt gewissermassen in die Tiefe des Bildes. Dieses offenbart sich als subtile abstrakte Komposition in zarten Weiss- und Gelbtönen. Swennen nutzt die Sprache als bewussten Verweis auf eine Welt jenseits der Malerei, um diese permanent an der Wirklichkeit des Bildes zu brechen. Doorn ist aber auch der Name einer Ortschaft in den Niederlanden, wo der deutsche Kaiser Wilhelm II. im Exil lebt und dabei ein Stachel in den diplomatischen Beziehungen der Niederlande war. Wie auch immer: Swennen erzeugt stets eine grundsätzliche Ambivalenz, welche seine Malerei destabilisiert. Zeichen werden Bilder, Textfragmente eröffnen Lektüren, deren Narrative sich nie erfüllen und so stets auf die Malerei als Malerei zurückverweisen: eine Malerei allerdings von aussergewöhnlicher Raffinesse!
Herkunft: Familie Walter Swennen
Zusätzlich zu den beiden Gemälden würde das Kunst Museum Winterthur aus Mitteln des Lotteriefonds ein weiteres Gemälde und eine Serie von Zeichnungen erwerben. Beim Gemälde handelt es sich um la rade von 2019, das sich aktuell in der Galerie Barbara Gladstone befindet und daher nicht für die Ausstellung ausgeliehen wurde.