Mit der Villa Flora stiess im Frühling 2024 das dritte Haus zum Kunst Museum Winterthur. Bereits im Jahr 2021 hat der Galerieverein mit der Arbeit von Bethan Huws eine Installation im öffentlichen Raum realisiert und so die Sichtbarkeit und Verbindung zwischen den Häuser sichtbar gemacht. Diese Tradition will der Galerieverein fortsetzten, und zwar mit der Neonarbeit be amazing der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury (* 1961) an der Fassade der Villa Flora.
Update Mai 2024
Am 23. Mai 2024 weihte der Galerieverein im Rahmen eines geschlossenen Anlasses die Arbeit ein. Nach dem Apéro betonte Vereinspräsident Kaspar Geiser, dass der Galerieverein dank grosszügigen Legaten ausserordentliche Erwerbungen wie diese Neonarbeit machen darf. Direktor Konrad Bitterli erläuterte, wie die zeitgenössische Künstlerin Sylvie Fleury mit Ihrer Arbeit Bezug zur Villa Flora nimmt, wo Hedy und Arthur Hahnloser mit ihrer Sammlerleidenschaft ein Selbstideal lebten und aussergewöhnlich waren. Um 21 Uhr begaben sich die Anwesenden auf den Gehsteig vor der Villa Flora. Vereinsmitglied Karin Bätz drehte den Lichtschalter um und liess die neuste Lichtarbeit des Kunst Museum Winterthur erstmals erleuchten.
Den Bericht vom Kunst Museum Winterthur finden Sie hier
Update April 2023
An der Generalversammlung des Galerievereins haben die anwesenden Mitglieder dem Projekt Villa Flora und dem Ankauf der Neonarbeit von Sylvie Fleury zugestimmt.
Künstlerin und Werk
Bekannt wurde Sylvie Fleury (geboren 1961 in Genf, lebt und arbeitet ebendort) in den frühen 1990er Jahren durch ihre Inszenierungen von Glamour, Mode und Lifestyle im Kunstkontext. Insbesondere ihre frühen Installationen mit den sogenannten Shopping Bags sorgten für Aufmerksamkeit. Jede der Taschen, darunter solche von globalen Labels wie Estée Lauder und Christian Lacroix, enthielt den Gegenstand, den die Künstlerin im Luxusgeschäft erworben hatte. 1990 schien es trotz des prägenden Vorbildes von Andy Warhol immer noch anrüchig, Kunst und Kommerz hemmungslos miteinander zu verbinden. Mehr noch allerdings irritierte die Tatsache, dass eine Künstlerin sich in ihrem Schaffen dem obsessiven Einkaufen von Luxusgütern widmete und sich damit scheinbar kritiklos dem Lifestyle hingab.
Seit rund 25 Jahren spielt die Genfer Künstlerin Sylvie Fleury ironisch mit Geschlechterklischees und Stereotypen der Konsumgesellschaft. Das Kunst Museum Winterthur präsentiert im Sommer 2023 ihre erste umfassende Einzelausstellung in der Schweiz seit beinahe fünfzehn Jahren.
Die Verschiebung zwischen hehrer Kunstsphäre und banaler Warenwelt, zwischen High und Low, wurde damals mit dem vielzitierten Begriff «Crossover» umschrieben. Diese Überblendung von Kunst und Massenkultur hat der Kulturtheoretiker Boris Groys als Tausch zwischen den valorisierten Archivalien der Kultur und dem profanem Raum bezeichnet: Von Marcel Duchamps Ready-made bis zur bunten Pop Art von Andy Warhol weist dieser Tausch inzwischen eine lange Tradition in der Kunst auf. In eben diesen Traditionen greift Sylvie Fleury globale Luxusmarken auf, um damit einen bisssigen Kommentar zur Welt des Kommerzes zu formulieren. Dabei setzt sie sich mit den Mechanismen des materialistischen Begehrens, der Ästhetik und der Konstruktion von Werten auseinander und bietet mit ihren verführerischen Werken einen Blickwinkel, durch den die zeitgenössische Geschlechterrollen, Schönheitsideale und Konsumverhalten neu bewertet werden. In ihrer künstlerischen Praxis, die sich auf Skulptur, Performance, Installation und Malerei erstreckt, verwendet sie häufig Materialien und Verfahren, die mit dem frühen Konzeptualismus, der Pop-Art und dem Minimalismus in Verbindung gebracht werden und einen kritischen Blick auf die weitgehend männlich geprägte Kunstgeschichte eröffnen.
Neben Installationen, Skulpturen und Fotoarbeiten realisiert Fleury auch Neonarbeiten. Entwickelt zu Beginn des 20. Jahrhundert fand die Neonröhre vor allem in Werbebeschriften Verwendung. Aus dem Werbekontext nimmt sie das Medium der Lichtwerbung auf und drückt darin die Zwiespältigkeit von Sehnsüchten und Lebensmaximen aus wie etwa Faster! Bigger! Better! oder Yes to all. Für die Winterthurer Lichttage 2007 realisierte Fleury an der Aussenwand der Villa Flora eine dieser Neonarbeiten. Einer Werbung gleich prangt der Neonschriftzug be amazing an der Fassade der Villa Flora. Mit unverkennbarer Übertreibung, Ironie und Kritik fordert die Künstlerin vom Einzelnen, aussergewöhnlich zu sein. Damit spricht sie aus, was in der westlichen Welt – und nicht nur im Modeund Konsumbereich – nahezu ein kollektives Selbstideal ist: Sei toll, sei besonders, sei mutig. Fleury befragt mit ihrem schönen, violett leuchtenden Schriftzug diese absurde Aufforderung. Nicht ohne Bezug steht die Arbeit dabei zur Villa Flora, wo Hedy und Arthur Hahnloser mit ihrer Sammlerleidenschaft eben genau dieses Ideal lebten und aussergewöhnlich waren. In diesem Sinne kann Be Amazing auch als Hommage einer zeitgenössichen Künstlerin an eine ausserordentliche kulturelle Leistung verstanden werden.
Sylvie Fleury zählt zu den bekanntesten zeitgenössischen Schweizer Künstlerinnen ihrer Generation. Bereits 1993 war sie auf der 45. Biennale von Venedig vertreten. Zahlreiche Einzelausstellungen, u.a. 2008 im MAMCO, Musée d’art moderne et contemporain, 2015 Bass Museum of Art, Miami, 2016 im Museum Villa Stuck oder 2022 in der Pinacoteca Agnelli – zeugen von der weit reichenden Anerkennung ihres Oeuvres.
Ankaufsvorschlag Sylvie Fleury (*1961 Genf)
Be amazing, 2007, Neonröhren, Transformatoren 150 x 620 x 10 cm